Fritz Schwarz

Schüler von Ernst Schneider, Seminar Bern-Hofwil
Aus dem Vortrag von Anton Lindgren: "Bedeutende Schüler eines verfehmten Direktors"


Fritz Schwarz stammte aus einer Bauernfamilie auf dem Krautberg in der Gemeinde Oberthal. Er hatte die Primarschule besucht und erregte bei der Aufnahmeprüfung in Hofwil grosse Heiterkeit, als er den ersten französischen Text, den er in seinem Leben sah, vorzulesen versuchte. Der sehr wissbegierige Knabe hatte sich aber neben der Schule durch Lektüre so viele Kenntnisse angeeignet, dass er die Prüfung trotzdem bestand. Daheim meinte der Knecht Gottfried dazu: «Das hab' ich schon gedacht, dass er aufgenommen wird. Er hat doch jeden Papierwisch (er nannte ein sehr drastisches und unmissverständliches Wort) noch durchgelesen, bevor er ihn brauchte!»

Beim Lesen des Lebensberichts «Wenn ich an meine Jugend denke» von Fritz Schwarz weiss man nicht, was einen bei diesem jungen Menschen mehr erstaunt; der Lernhunger und die Aufnahmefähigkeit oder die Gabe, Erlebtes gedanklich selbständig zu verarbeiten und ihm auf den Grund zu gehen.

Am Oberseminar war ihm der neue Direktor Ernst Schneider sofort sympathisch, weil er im Gegensatz zu den sich betont ernst gebenden andern Lehrern fröhlich lachen konnte. Von seinem Unterricht sagt Schwarz: «Die Unterrichtsstunden von Dr. Ernst Schneider zeichneten sich durch eine klare und leicht verständliche Darstellung aus. Kein Fremdwort ohne ausreichende Erklärung, alles war folgerichtig aufgebaut. Hinzu kam eine flüssige, spannende Darbietung. Endlich aber entstand an der Wandtafel der klare Aufbau der ganzen Stunde. Schrieb man dieses Skelett der Lehrstunde ab, was nicht viel zu tun gab, und las man es nachher durch, so stand einem alles wieder deutlich vor Augen. Als Lehrer habe ich später versucht, ebenso vorzugehen.»

Fritz Schwarz wurde durch Jugenderlebnisse wach für wirtschaftliche Fragen. Als kleiner Knabe sah er, wie sein älterer Bruder zwei Viehhändler mit der Peitsche vom Hof vertrieb, weil sie für die Kühe so erbärmlich niedrige Preise anboten. Später ging er der Sache nach und begriff den Vorgang als Erscheinung der damals herrschenden Deflation. Er veröffentlichte in der «Schulreform» einen Artikel mit dem Titel « Zur Geschichte der Siebziger- und Achtzigerjahre» (des 19. Jahrhunderts). Darin zeigte er, dass damals das Entstehen von Deflation und Inflation von Verknappung oder Vermehrung der Geldmenge abhingen. Er folgerte daraus, Deflation und Inflation seien nicht Naturereignisse, sondern könnten durch Manipulation der Geldmenge erzeugt oder vermieden werden.

Ein Nachbar der Familie Schwarz konnte seinen Unwillen über die sinkenden Preise nicht einfach mit der Peitsche abreagieren. Er geriet in Konkurs. Vater Schwarz, der ihm Bürge gewesen war, musste seinen Hof samt den Schulden übernehmen. Fritz Schwarz erinnert sich: «Als ich 1903 ins Lehrerseminar eintrat, musste ich nachher oft eine Schweinsblase voll Gold und Silbermünzen mit mir nach Bern nehmen, um sie dort beim Sachwalter eines grossen Gläubigers abzuliefern. Das war das Geld, das wir für verkauftes Vieh, für abgelieferte Milch, für Kartoffeln und Obst erhalten hatten. Für mich hat damit das Wort 'Zins' eine sehr reale Bedeutung bekommen.» Von da an hasste und bekämpfte Schwarz Deflation und Zins sein Leben lang.

Fritz Schwarz, der nach kurzer Zeit als Primarlehrer weiterstudiert hatte, und von 1912 an in Schwarzenburg als Sekundarlehrer wirkte, war auf die Erklärungsmöglichkeit seiner Beobachtungen aufmerksam geworden, als er in der Buchhandlung Francke auf Theophil Christens Schrift «Die Kaufkraft des Geldes und ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft» stiess. Von da führte ihn die Lektüre zu Silvio Gesells «Die natürliche Wirtschaftsordnung». Kurz nachher besuchte Direktor Schneider seinen ehemaligen Schüler und veranlasste ihn, für den soeben gegründeten Freiland-Freigeld Bund die Redaktion der Zeitschrift «Freistatt» zu übernehmen, deren erste Nummer am 5. Januar 1917 erschien.

Im Jahre 1918 führte die Freundschaft zwischen Fritz Schwarz und Ernst Schneider zur Schaffung eines Zentrums für fortschrittliche Pädagogik und Schulreform, das unter dem Namen «Pestalozzi-Fellenberg-Haus» in einer Wohnung an der Erlachstrasse 5 in Bern seine Bleibe fand.

Schwarz tat 1919 den kühnen Schritt: Er verliess seine sichere Stelle in Schwarzenburg, wurde Geschäftsführer des Pestalozzi-Fellenberg-Hauses und besorgte das Sekretariat sowohl des Freiland-Freigeld-Bundes wie das der damals ebenfalls gegründeten SPG «Schweizerische Pädagogische Gesellschaft». Damit waren die Würfel für das weitere Leben gefallen: Fritz Schwarz trug mit dem Pestalozzi-Fellenberg-Haus das reformerische Erbe Schneiders weiter, als dieser 1920 eine Professur in Riga antrat.

Praktisch ohne festes Einkommen, so dass bei Familie Schwarz oft Schmalhans Küchenmeister war, setzte Schwarz seine grosse Arbeitskraft für die Verwirklichung der idealen Ziele von Schul-, Geld- und Bodenreform ein.

Vom Krautberg her an frühes Tagwerk gewohnt, sass Schwarz oft schon um 4 Uhr am Schreibtisch. So konnte es passieren, dass er dem Drucker zwischen 5 und 6 früh anläutete, fröhlich meldete, das Manuskript sei bereit, der Laufbursche könne es abholen und dann erstaunt vernahm, er müsse sich noch etwas gedulden, der junge Mann schlafe noch.
Ich deute von dem Vielen, was Schwarz leistete, etwas an:

- er gab die «Schulreform» weiter heraus

- er redigierte die «Freistatt», aus der dann die «Die Freiwirtschaftliche Zeitung» und später die Zeitung «Freies Volk» wurde

- er leitete den Pestalozzi-Fellenberg-Verlag, wo er u.a. Werke von Alfred Fankhauser und C.A. Loosli herausbrachte. Dieser schrieb Schwarz zum 70. Geburtstag: «Zur Zeit, da ich, in Acht und Bann stehend, in denkbar schlimmster Notlage, meine schriftstellerische Tätigkeit unheilbar gefährdet sah, haben Sie - Sie allein, den Mut aufgebracht, mich Verfemten zu verlegen und mir damit zu ermöglichen, weiter zu schaffen und zu leben.»

- er war von 1934 bis 1958 ein aktives und hochgeachtetes Mitglied des Berner Grossen Rates und seit 1936 auch des Stadtrates

- er trat in unzähligen Zeitungsartikeln und im ganzen Land herum mit Vorträgen für das ein, was er als wahr und gerecht erkannt hatte.

Von seinen Schriften seien hier nur die zwei Bände «Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker» erwähnt, wo er als erster Rolle und Bedeutung des Tauschmittels Geld für Wirtschaft, Krieg und Frieden herausarbeitete. Ein auch heute noch lesenswertes Werk!

Die Ideen der Freiwirtschaftsbewegung konnten sich in der Geldpolitik 1936 bei der Abwertung des Schweizerfrankens, die eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation bewirkte, durchsetzen. Dagegen verloren die sich nun Liberalsozialisten nennenden Freiwirtschafter mit ihrer 1949 lancierten Kaufkraftinitiative wohl die Schlacht, gewannen aber den Krieg, indem die Schweizerische Nationalbank nun verpflichtet ist, die Geldmenge so zu steuern, dass der Lebenskostenindex konstant bleibt. Das hat der Schweiz in den letzten Jahren, im Vergleich zu anderen Staaten, eine geringe Inflation und einen hohen Beschäftigungsgrad ermöglicht.

Fritz Schwarz, der am 17. November 1958 einer Herzkrise erlag, durfte diesen Erfolg seiner Bemühungen nicht mehr erleben. Wir alle aber haben seinem Einstehen für Wahrheit und Gerechtigkeit viel zu verdanken....



Quelle: Anton Lindgren, Bedeutende Schüler eines verfehmten Direktors, Vortrag gehalten an der Jahresversammlung der Vereinigung Ehemaliger Schüler des Staatsseminars Bern-Hofwil vom 28.12.1987, in "Der Fall Schneider".


Publikationen:
- Beiträge zur Geschichte des Bernischen Staatsseminars, Der Fall Schneider, Herausgegeben von der Vereinigung Ehemaliger Schüler des Staatsseminars Bern-Hofwil
- Ernst Schneider, Aus meinen Lern- und Lehrjahren
- Fritz Schwarz, Wenn ich an meine Jugend denke (Auszug)
- Werner Schmid, Fritz Schwarz, Lebensbild eines Volksfreundes
- Hans Hoffman, Fritz Schwarz, Denkschrift zu seinem 100. Geburtstag




Prof. Dr. Ernst Schneider (1878-1957)
Ernst Schneider wurde am 17. Oktober 1878 geboren, aufgewachsen in Bubendorf (BL), Evang. Lehrerseminar Muristalden (Bern), Primarlehrer an der Gesamtschule in Innerberg (Gemeinde Wohlen bei Bern, 1897-1899). Studium in Bern und Jena. 1905 von Regierungsrat Gobat (Friedensnobelpreisträger) zum Direktor des Staatsseminars Hofwil berufen - gegen die "freisinnige" (konservative) Lehrermafia; die Freisinnigen trafen sich am Ostermontag zu einer Protestversammlung und veröffentlichten eine Resolution.

Schneider stiess, zum Teil ähnlich wie Stump ("Abstinenz, Anarchie, Atheismus"), Ältere und Verfechter des Herkömmlichen vor den Kopf, indem er den Seminaristen viel Freiheit gewährte und Vertrauen schenkte und sie nach den Vorstellungen der sogenannten Arbeits- statt der Lernschule führte. Seine Ansichten zur Schulreform und entsprechende Forderungen empörten Schulinspektoren, Kommissionen und andere Kleinkönige der sich "freisinnig" nennenden Regierungspartei. 1911 kam "die Schale des Zorns zum Überlaufen", so die "freisinnigen" Lehrer.
Empörung schlug ihm als Verfechter der Psychoanalyse Sigmund Freuds und ihrer Betonung des Sexuellen entgegen. Vorgeworfen wurde ihm auch, die Schüler zu Sozialisten statt zu "Freisinnigen" zu erziehen. 1916 musste er "freiwillig" von seinem Amt zurückzutreten.

1915/19 gründete er den "Freiland-Freigeld Bund", die Zeitschrift "Die Freistatt", die "Schweizerische Pädagogische Gesellschaft" wandelte die Berner Seminarblätter" in "Die Schulreform" um und gründete mit Schwarz als Zentrum das «Pestalozzi-Fellenberg-Haus», das Fritz Schwarz nach 1920 allen weiterführen musste.
Schneider wurde 1920 auf den Lehrstuhl für Pädagogik an der Universität in Riga berufen. Im Jahr 1928 wird ihm verboten, in deutscher Sprache zu lehren. In Stuttgart führte er dann bis 1946 eine psychoanalytische Praxis, ab 1946 eine solche in Basel.
Er wurde 16. Februar 1957 in Muttenz von einem Auto überfahren. (Mehr zu Schneider)
(Quellen: Beat Junker, Geschichte des Kantons Bern seit 1798: Band III, Tradition und Aufbruch 1881-1995) und Ernst Schneider, Aus meinen Lern- und Lehrjahren

Dr. Theophil Christen (1873-1920)
Dr. Theophil Christen war Arzt, Mathematiker, Physiker,* 1. April 1873 in Basel, † 6. Mai 1920 im Genfersee. Er war ein unter Fachleuten heute noch bekannter Pionier der physikalischen Medizin, insbesondere der Strahlen- und Röntgenwissenschaft. (Eine Theophil-Christen-Medaille der Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik, 2006 erstmals verliehen.)
1896 promovierte er in Leipzig im Fach Mathematik, 1905 als Dr. der Medizin in Bern, 1908 Habilitation in Bern (1909 venia docendi für "Innere Medizin, speziell für physikalische Therapie").
Christen wurde durch Gesells Publikationen 1903/04 mit Geldreformideen vertraut. 1919 war Christen in Bayern bei Gesell im Finanzministerium als freiwirtschaftlicher Rechnungsbeirat für die Räterepublik tätig. Christen war Abstinent, Vegetarier, Esperantist und Verfasser von lebensreformerischen Schriften.
(Mehr zu Christen)

Silvio Gesell (1862-1930
Silvio Gesell, * 17. März 1862 in St. Vith/Eifel (damals preussisch, heute belgisch), † 11. März 1930 in der Obstbaukolonie Eden bei Oranienburg (Berlin). Er war Kaufmann, Landwirt und Begründer der Freiwirtschaftslehre.
1900-06 und 1914-19 wohnte er in Les Hauts-Geneveys (NE). Er inspirierte den 1915 in Bern gegründeten "Schweizer Freiland- und Freigeld-Bund", später "Schweizer Freiwirtschaftsbund".
In der Schweiz veröffentlichte er u.a.:
1901: "Das Monopol der Schweizerischen Nationalbank* und die Grenzen der Geldausgabe im Falle einer Sperrung der freien Goldausprägung" (*1907 gegründet)
1906: "Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform"
1916: In Bern erscheint sein Hauptwerk "Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld".
1916/17: "Gold und Frieden?" und "Freiland, die eherne Forderung des Friedens"
1923: "Der Aufstieg des Abendlandes“ (Mehr zu Gesell)

Die Seite "Fritz Schwarz" enthält folgende Kapitel:
Inhaltsverzeichnis mit Kurzbiographie /index.htm
Lebenslauf eines Schülers von Ernst Schneider (hier)
Wanderprediger für Freiland und Freigeld, Nachruf in "Der Bund", Samstag, 25. April 1987)
Wenn ich an meine Jugend denke, Auszug aus den Erinnerungen
Kampf dem Kommunismus, Vortrag in Deutschland von 1951
Fritz Schwarz, Abstinent und Alkoholpolitiker
Der schweizerische Bauernkrieg von 1653 (aus "Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker")
Das Pestalozzi-Fellenberg-Haus in Bern ab 1925

Das Experiment von Wörgl
Zum 50. Todestag von Fritz Schwarz
Erhältliche Bücher von Fritz Schwarz
Verantwortlicher Redaktor dieser Seite ist Eduard Muster. Das Copyright für die Texte von Fritz Schwarz vertritt Ruth Binde-Schwarz, Zürich.
http://fwww.fritzschwarz.ch/ - info(at)fritzschwarz.ch 31/10/07